Am Anfang suchst du Sex. Du suchst einen saftigen Seitensprung, sexuelle Befriedigung, Feuriges mit heißen Girls oder echten Gents. Am Anfang denkst du: Das ist es! Hier in XY, auf XZ, mit XX ist das möglich.
Nach über zehn Jahren Erfahrung auf Datingplattformen und frivolen Partys dazu Folgendes:
Du suchst Sex, aber du findest Menschen. Das ist die Wahrheit.
Klar, du kannst auch Jahre an der Oberfläche bleiben, immer weiter das Gleiche mit neuem Gleichen tauschen, und dich mit maximaler Verdrängung hartnäckig nicht weiterentwickeln. Das geht. Das ist möglich. Aber, hast du nur einen Funken Verstand und Gefühl und Bereitschaft … und Bewusstsein … läuft es ganz anders.
Ja, sicher, am Anfang brennst du etwas ab. Wilde Szenen mit Fremden, von denen du hoffst, dass sie dir fremd bleiben im Nachhinein. Sachen, die du immer tun wolltest und du brennst. Wirklich, du brennst, endlich! Das tut jeder und das ist wichtig. Das Ego wird gefüttert und du machst Sachen, über die du Bücher schreiben könntest. Das Ego muss gefüttert sein, damit es nicht mehr so laut schreit und der Blick möglich wird auf das, was wirklich wichtig ist: Das Erleben, das Gefühl. Es ist ein riesengroßer Unterschied, wer fickt, das Ego oder das Ich.
Es sind Menschen, denen du begegnest, egal auf Date oder Party. Und läuft es gut, fällt dir auf: Etwas finden kannst du nur, wenn du den Menschen suchst, nicht den Sex. Das mit dem „Abenteuer im Beliebigen“, das geht vorbei und dann wird es neu. Dann wird es wirklich stark.
Wenn du zu einem Date gehst und es geht dir nicht primär um den Sex, nicht um die Verlockung, sondern du willst wissen, wer das Weibchen/Männchen, das du da triffst, wirklich ist, wenn das dein Fokus ist, dann bist du so weit. Wenn du wissen willst, mit wem du da etwas willst, wenn das deine Frage ist, dann hast du verstanden, wo die Tiefe ist. Und dann, danach fängt das Sexuelle an. Dummerweise wirst du oft enttäuscht. Nur selten sucht das Gegenüber mehr als Ego-Boost.
Aber wenn doch, dann wird es gut. Dann begegnen sich Menschen und das ist Konfrontation. Übrigens ist das auch möglich im Flüchtigen, im sehr Vergänglichen, ja sogar auf dem Gangbangtisch. Das ist aber selten, denn Begegnen erfordert Zeit.
Übrigens auch guter Sex, tiefer, berührender Sex. Die Sache mit der Sinnlichkeit. Auch das braucht Zeit. Du musst dich kennen, du musst den anderen erkennen und ihr müsst die Schnittmengen finden. Das sind die wahren, die großen Events, die möglich sind in einer promiskuitiven Welt, wenn … wenn man das will.
Und das ist nicht einfach. Unter der Oberfläche wird es schwierig, denn du musst mit anderen Menschen, nicht nur mit deren Oberfläche. Vor allem musst du mit einem: Mit dir selbst. Das ist der schwierigste Gegner. Nichts konfrontiert dich so sehr mit dir selbst, wie der Sex. Machst du die Augen auf, wird es anstrengend. Sehr anstrengend. Denn all der Mist, deine Schwierigkeiten, deine Ängste, deine Träume, dein Versagen, deine Traumata, deine Hoffnungen, deine Unfähigkeiten – einfach alles – steuert und betreibt deinen Sex. Deine Sexualität bildet alles ab. Schwierig zu entwirren, denn das musst du. Tust du es nicht, vögelst nicht du, sondern deine Ängste, deine Träume, dein Versagen, deine Traumata, deine Hoffnungen und deine Unfähigkeit. Du bist gar nicht da. Dein Unbewusstes fickt dich, während du fickst, und du merkst es nicht.
Harte Suche, aber sie lohnt sich. Ich mag es nicht missen.
Und heute sitze ich hier und vor mir liegt mein allererstes Buch. Ich habe da ein wenig korrigiert endlich einmal. Das jetzt acht Jahre her. Da habe ich das geschrieben, mit der Weisheit, die ich damals hatte. Voll schön. Ach, wie anders mir alles damals war, wie anders mir heute alles ist. „Luder sind mir willkommen“ – Es ist wie eine Zeitreise für mich. Ach, was dachte ich damals, ich hätte etwas begriffen, dabei wusste ich nichts. Das, von dem ich dachte, ich wüsste endlich und ich hätte verstanden, hatte mich einfach nur im Griff.
