Leidenschaft steht nur dem zu, der Leiden schafft. Im doppelten Wortsinn. Erstens wenn er leiden für andere erschafft und wenn er das Leiden schafft, bewältigt, meistert. Dabei gilt: Die Dosis macht das Gift. Es darf nicht zu wenig sein und nicht zu viel.
Ist leider so, sorry. Ohne Leiden ist Leidenschaft leider nie.
Sieht nur erst einmal nicht so aus, denn Leidenschaft, ist doch schön, oder nicht?
Leidenschaft will man doch! Leidenschaft ist eine Form der Liebe. Eros. Einer der griechischen sieben. Die alten Griechen kannten acht verschiedene Lieben, manche sprechen auch von sieben. Eros – die Leidenschaft – war berüchtigt, da sie die zerstörerischste ist. Und die konstruktivste fürchte ich, denn beides gehört zusammen, da es das Eine ohne das Andere nicht gibt.
Leidenschaft nährt sich aus dem Gegensatz, aus Unterschied, aus etwas Trennendem, das überwunden werden will.
Leidenschaft hat etwas mit Spannung zu tun, mit Ungewissheit, da man nicht weiß, ob man die Überwindung schafft. Gelingt es zu überbrücken, dort hinzukommen, wohin man will? Bekommt man was man will? Diese Spannung muss man aushalten und diese, genau diese Spannung macht lebendig. Dafür lohnt es zu leben, genau dafür, dieses Schweben in gespannter Angst. Nichts macht lebendiger als das.
So ist das mit Eros, der Leidenschaft. Auch in Beziehung, wo sie gewöhnlich besonders am Anfang ist. Da kennt man sich noch kaum. Da ist noch Ungewissheit und jede Menge Unterschied. Wer ist das da drüben überhaupt, fragt sich Frau und Mann. Du weißt es noch nicht, nur eines ist sicher: Irgendetwas zieht dich magisch an.
Und du darfst. Du bist erwünscht. Vielleicht und das steigert die Spannung und beinahe unerträglich ist es und lästig ist die Zeit, denn sie stört. Überwinden will man doch und am liebsten würde man den anderen fressen. Selten ist spürbare Angst dabei, meist ist es einfach nur Wollen und da sind nur lästige Hindernisse. Keine Zeit, Arbeit, Ehemann. Irgendwelche Störgrößen dieser Art stören. Zumindest ist es so, ist man erwünscht, die Liebe, der Eros, das Wollen des anderen erklärt.
Aber sind diese Hindernisse aus dem Weg geräumt mit der Zeit und man ist immer mehr vereint, verbringt Zeit gemeinsam, so ist da nicht mehr so viel, was trennt.
Vielleicht ist man – Gott behüte – zusammengezogen unter ein Dach in die gleichen Zimmer, auf jeden Fall ist man enger. „Jetzt geht es los“, denkt sie, die Frau. Der Mann vielleicht auch und er freut sich, aber er freut sich anders, denn er freut sich über die Sicherheit. Nicht selten blinzelt er und hat da so eine Ahnung: „Jetzt geht der Ofen aus“.
Da ist der Mann – endlich einmal – emotional im Vorteil und besser aufgestellt. Sonst ist er das nicht, sonst ist im Emotionalen im Schnitt besser die Frau, hier aber nicht, denn das kennt er bereits zur Genüge. Diesen Effekt kennt er besser als die Frau: Leidenschaft vergeht
Das begegnet ihm ständig. Alles strebt nach vorne – das ist des Männlichen Natur – und dann angekommen, Euphorie, und noch ein wenig, noch einen Moment und dann verfliegt alles im Wind. Dann braucht es ein neues Ziel, für neue Leidenschaft, denn Leidenschaft ist aus Sand und zerrinnt in der Hand.
Das heißersehnte Motorrad. Ein Beispiel. Jahrelang hat man darauf gespart, geeifert und Bilder in Katalogen betrachtet, sich die Nase an der Schaufensterscheibe beim Händler plattgedrückt und vier Probefahrten gemacht und dann … steht es in der Garage. Die Leidenschaft für das „neue Stück“ bleibt noch eine Weile, dann wird es weniger und dann regnet es – könnte es regnen – und man lässt sie stehen. Undenkbar war das vor Monaten noch. Die Leidenschaft ist weg. Das Ding ist nah und einfach zu haben. Es ist nicht weit, steht in der Garage, keine Überwindung, keine Ungewissheit.
Nur dann und wann, war man von der Leidenschaft – hier dem Motorrad – getrennt, fängt es wieder an. Für eine Weile, für kurz, aber verdammt, so wie früher wird es nie mehr.
Tatsächlich ist das Beispiel mit dem Motorrad ziemlich gut, zeigt es noch eine andere Seite der Leidenschaft, etwas was oft verwechselt wird. So ist es bei einigen Motorrädern ähnlich wie bei einigen Frauen. Du willst immer wieder aufsteigen und es ist wie verhext, dir scheint, dass die Leidenschaft größer wird mit ihr oder mit es. Du kennst sie oder es immer besser und fühlst immer mehr all die kleinen Details. Hier stimmt das Obengesagte nicht, die Leidenschaft steigert sich. Scheint es. Aber es täuscht. Die Leidenschaft ist nicht das Motorrad, die Leidenschaft ist jetzt die Fahrt, die sich durch das Motorrad erschließt. So auch mit der Frau. Es gibt Frauen, mit denen es sich gut durch die Kurven des Lebens fährt und immer wieder ist da Distanz auch zu ihr, und und daher bleibt es munter und spannend, auch weil da immer wieder Trennendes ist und jede Kurve neu zu erkämpfen ist mit ihr. – Merkt ihr es? Es ist nur eine Variante des gleichen Leidenschafts-Prinzips. Die Leidenschaft wird in die Länge gezogen, weil Trennendes immer neu im Kleinen entsteht. Das ist der Trick. Immer feinere Nuancen leidet man und erschafft man sich und erhält somit länger, was gerne wie Sand zerrinnt.
Und langsam, langsam verändert sich doch was da an Beziehung ist, egal ob zu Motorrad oder Frau. Es oder sie wächst ins Herz, lässt es springen, WEIL es bekannt ist, was aber gänzlich anders Liebe ist. Agape, oder Philia oder Pragma, aber nicht Eros.
Leidenshaft vergeht. Immer.
Es gibt da nur diesen obengenannten Trick. Paare mit Leidenschaft über Jahre erhalten sich das. Sie disharmonieren immer wieder und etwas trennt immer neu, was dann wieder zu überwinden ist.
Anstrengend ist das, aber nicht anders möglich, da nur Leiden Leidenschaft schafft. Sie müssen streiten, oder anders auf Distanz. Sie brauchen Rituale in die Fremdheit hinein, Trennendes, Getrenntsein, Ärger, Wesensunterschied, Entwicklung vom anderen weg, damit sie … ihr habt es verstanden … überbrücken können mit heißersehnter Spannung.
Und es braucht ein Gleichgewicht. Trennendes und Verbindendes muss ausgeglichen sein, nicht zu wenig, nicht zu viel, nicht im Schnitt, damit es sich nicht trennt und nicht aneinander haften bleibt, was beides für Eros tödlich ist.
Kein Wunder, wie selten das ist.
Willst du also Leidenschaft und davon reichlich – nicht jeder will das, nicht jeder kann das, nicht jeder ist dafür gemacht, die meisten sind zu bequem, ihnen ist das Leiden die Sache nicht wert – so hadere nicht mit dem Trennenden oder dem Streit.
Er erschafft dir, was du willst. Du braust den Streit, den Widerspruch, die Abgründe. So wächst immer wieder neu Leiden, dass du schaffen kannst. Was nicht wächst, das stirbt. Immer. Ohne Ausnahme.
Aus gegebenem Anlass widme ich diesen Text der Sophie
Hat dies auf Schlitz und Ständer rebloggt.
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Was du beschreibst, ist ein bekanntes Phänomen und ich brachte es einmal auf den Punkt: „Der Streit ist das Salz in der Suppe.“
Hatte einmal eine Beziehung, wo immer der eine oder der andere die Beziehung beendete. Und dann war Funkstille für ein paar Tage .. Aber wir fanden uns immer wieder und jede Neuverbindung belebte diese On/Off-Beziehung und die Neuverbindung Das wurde irgendwann zum Ritual gegen die Eintönigkeit des Alltags, aber gerade die Tage ohne einander waren geprägt von Sehnsucht und zeigten uns, dass wir uns wirklich liebten. Ja, ich spreche von meiner ersten Liebe, die aber dann doch nach fünf Jahren endete, weil wir zu jung waren. Wir lernten uns kennen, da war ich 17 und sie 15 und voller Illusionen. Das ist ja die Tragik, das man später irgendwann voneinander desillusioniert ist, weshalb Romeo und Julia auch früh sterben mussten.
Keine Rose ohne Stacheln. Jede erneute Trennung war ein Schmerz und wir spielten damit ..
Dann schlitterte ich in eine Beziehung, die auch in den Anfangsjahren hervorragend funktionierte. Doch dann begannen wir uns zu streiten. Es war ein Streit unter sich liebenden, ohne Beleidigungen oder harschen Worten, aber es ging um kleine Dinge und das Leben besteht aus kleinen Dingen: Wenn ich etwa den Frühstückstisch abräumte, hies es: „Stell doch die Butter in das freie Türfach.“ Ich aber stellte die Butter mitten in ein Kühlfachregal und sagte dann: „Dann räum du doch den Tisch ab.“ Es folgte dann: „Ich habs doch nur gut gemeint“ usw. usw.
Oder wenn ich mal den Kaffee beim Einschenken verschüttete, warf sie mir gleich ein Tuch zu. Mir hingegen machte der kleine Kaffeetropfen auf dem Tisch nichts aus. Sowas etwa führte zu langen Diskussionen und gerade das hielt unsere Beziehung am Leben.
Inzwischen leb ich in einer Beziehung, wo schon manchmal bewusst die Harmonie störe, um gerade die Leidenschaft zu fördern. Nur Harmonie ist der Tod jeder Beziehung. Und es funzt. Es klappt. Ich bin erfahren und weiß, wie weit ich gehen kann, um die Spannung zu erhalten. Ein Spiel mit dem Feuer, mit dem Seelenfeuer.
Danke für deinen Beitrag und die Geduld, meine Worte zu lesen.
LG Sven 😉
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