Warum man den Menschen nicht überzeugen kann

Man kann Menschen nicht mit guten Argumenten überzeugen. Es bringt nichts, es zu versuchen, denn entscheidend sind nicht die Argumente!

Aus gegebenem Anlass, da ja überall die Diskussionen so heiß laufen, möchte ich einmal erklären, warum das so ist. Und ich möchte erklären, warum der Überzeugungsversuch ab einem bestimmten Punkt kontraproduktiv ist. Aber ich möchte auch erklären, warum es wichtig ist laut seine Meinung kund zu tun und nicht zu schweigen. Darauf gehe ich am Schluss des Textes ein.

Ich muss ein wenig ausholen, es sind viele Zeilen und ihr müsst geduldig sein, aber vielleicht lohnt es sich ja und am Ende haltet ihr viel bessere Methoden in der Hand eure Meinungen nachhaltig an andere Menschen heranzutragen. Wissen hat Macht!

Menschen ändern ihre Meinung nicht, weil sie von den Argumenten überzeugt werden, weil sie die besseren Argumente erkennen, oder ihre Meinung offensichtlich falsch ist. Die Idee, dass dies so sei, ist ein Irrtum! Die menschliche Psyche funktioniert ganz anders. Warum das so ist, lasse ich jetzt einmal weg und konzentriere mich auf das Wie.

Menschen lassen sich von Argumenten nicht von ihrer Meinung abbringen. Nie! Es passiert etwas anderes: Menschen ändern ihre Meinung nur, wenn es einen persönlichen Vorteil mit sich bringt. Nur dann!

Ich will hier ein Beispiel bemühen, das Kanonenkugelbeispiel, das ist sehr gut geeignet dazu: Aristoteles galt bis in zu Beginn der Neuzeit als unfehlbarer weiser Mann und alles was er in seinen Werken geschrieben hatte, galt ohne Einschränkung als wahr. Das war Konsens und felsenfeste Meinung unter den Geleerten zweitausend Jahre lang. So hat Aristoteles behauptet, dass wenn man einen Stein werfe, fliege er geradeaus, in einer geraden Linie, bis zu einem bestimmten Punkt und falle dann senkrecht herab. Das klingt absurd, denn jeder der einen Stein wirft, kann sehen, dass das nicht stimmt. Natürlich beschreibt der Stein eine ballistische Kurve. Offensichtlicher falsch geht es nicht. Aber die Meinung der Geleerten wurde davon nicht berührt. Steine fliegen geradeaus und machen plötzlich „Plumps“. Sie hielten an ihrer Meinung fest, da Aristoteles anzuzweifeln sehr viele Nachteile mit sich gebracht hätte. So wären sie ausgestoßen worden aus dem Kreis der Geleerten und einiges mehr. Erst als die Kanonen erfunden wurden und die Kanonenkugeln sich nicht an Aristoteles hielten, die frechen Dinger, und das Wissen um ballistische Kurven den Festungsanlagenbauern einen uneinholbaren Vorsprung verschaffte, änderte sich die Meinung und wurde übernommen. Nicht etwa, weil sie richtiger war, sondern weil die Idee ballistische Kurve den Vorteil besseren Festungsanlagen versprach. (Und selbst da hat man noch lange diskutiert und gerungen)

Dieses Prinzip der Meinungsbildung, oder eben nicht-Meinungsbildung, kann jeder jeden Tag beobachten, wo offensichtlicher Unsinn fortgesetzt und vertreten wird.

Das Prinzip ist: Es macht für den betreffenden keinen Sinn, seine Meinung zu ändern, ggf. überhaupt darüber nachzudenken. Es ist also nicht so, dass der mit der anderen Meinung nicht dumm ist, oder dümmer als man selbst, er hat nur eine andere Interessenlage. Genauer: Er profitiert von seiner Meinung mehr als von der anderen. Besonders profitiert er davon, an seiner Meinung festzuhalten. Das Festhalten ist es! Sich einzugestehen, dass man falsch lag, ist unangenehm und bedarf eines Vorteils, der größer ist als der Schaden, den das Aufgeben seiner Meinung erzeugen würde – diesen Schaden unterstellt meistens das Ego.

Könnt ihr folgen? Das ist ein fieser Gedanke, dummerweise ist er richtig und mehrfach bewiesen, in etwa so gut wie die Flugbahn der Kanonenkugel. Wer das nicht glauben kann oder will, der solle sich einmal fragen, ob er nicht genau in der oben beschriebenen Falle sitzt, seine Meinung nicht wechseln zu wollen, da es ihm unangenehm ist. „Unangenehm“ ist in etwa das Gefühl des Unterbewusstseins nicht nachgeben zu wollen.

Der Mensch tut nichts ohne seinen persönlichen Vorteil! Absolut nichts! Was ein persönlicher Vorteil ist, hat eine sehr große Varianz, deshalb ist die Welt nicht so schlecht, wie es zu erwarten wäre.

Eine entscheidende Größe in der Meinungsbildung spielt die Gewalt. Ich habe das oben schon angesprochen heimlich. Ein Geleerter hielt damals an seiner Meinung fest, da er sonst aus der Gemeinschaft ausgestoßen worden wäre. Das würde natürlich heute nie passieren … oder doch? Aber, schon das ist Gewalt. Und wer meint, das sei niederschwellig, der hat diese Form der Gewalt noch nie erlebt.

Natürlich gibt es andere Varianten der Gewalt, die die Meinungsbildung beeinflussen. Seinen Job zu verlieren, wenn man eine Meinung vertritt, kann Zünglein an der Waage sein, warum man zu der einen oder anderen Meinung neigt. Die Pflicht Masken zu tragen, kann als Gewalt der Meinungsfindung aufgefasst werden, denn sie nötigt einen in den Konflikt das Ding zu tragen obwohl man anderer Meinung in der Sache ist. Man muss sich einer Kraft unterwerfen und da liegt nahe, je nach Naturell, dass man diese Meinung übernimmt, da alles andere sehr viel Nachteil mit sich bringt. Innere Konflikte haben hohe Kosten.

„Du bist ein Rassist, wenn du kein Antirassist bist.“, ist ein weiteres Beispiel von Gewalt in der aktuellen Lage. Es ist ein Meinungsdiktat. Der Spielraum für eine abweichende Meinung wird sehr eng, die Kosten sehr hoch anderer Meinung zu sein. Also stimmt man in diese und ähnliche Meinungen ein, wenn auch nur oberflächlich vielleicht, weil dieser Meinung zu sein, sehr wenig Kosten, der Widerspruch sehr viele Nachteile mit sich bringt.

Auch wenn man auf seiner Meinung beharrt, sich diesen Gewalten widersetzt, aufmüpfig ist, hat man nur seinen persönlichen Vorteil im Blick. Immer nur das. Aus irgendwelchen Gründen hält man es für nützlicher und sinnvoller, an seiner Meinung festzuhalten. Zum Beispiel weil man es für einen Wert hält standhaft zu sein, oder seinen Kindern zeigen will, dass man standhaft ist, oder weil einem die Zugehörigkeit zur Gruppe der Abtrünnigen als besonders angenehm erscheint. Da kommt viel in Betracht. Aus diesen Gründen bleiben oder wechseln Menschen zu anderen Meinungen.

„Aber das hat ja gar nichts mit den Argumenten zu tun?“ – Ja, richtig! Es ist ernüchternd, aber ja, das stimmt. Die Menschen halten nicht auf der inhaltlichen Basis von Argumenten an Meinungen fest, sondern – Achtung, das ist wichtig jetzt! – nur weil ihnen diese Meinung den maximalen Vorteil verspricht! Alles andere ist ungünstiger, deshalb wählen sie diese, aber jene nicht. Dieses Wählen ist unbewusst, meistens.

„Ja, aber ich habe doch Recht. Das ist keine Meinung, das ist doch wahr!“, wird gerne hier eingewandt, aber die Krux ist, dass keiner weiß, was die Wahrheit ist. Die persönliche Wahrheit wird nur konstruiert, als „für wahr“ erklärt, weil es eben die eigene Meinung ist. Buddhisten, Hinduisten und Tantristen wissen was ich meine damit.

Was bedeutet das, für den Widerstreit der Meinungen? Du kannst einen anderen Menschen nicht von seiner Meinung überzeugen. Du kannst ihm deine Meinung eröffnen, zeigen, darlegen, nahebringen, aber überzeugen kannst du ihn nicht mit inhaltlichem Argument, sondern es muss ihm einen Vorteil bringen. In der aktuellen Virusdiskussion kannst du die andere Seite nicht überzeugen. Die Fronten sind verhärtet – so nennt man das gerne. Das bedeutet nichts anderes, als dass es sehr viele Nachteile mit sich bringen würde, die Seite zu wechseln. Da ist sehr viel Gewalt aufgebaut auf beiden Seiten, und Beschimpfungen fliegen hin und her. Egal welche Statistiken und Daten hin und hergeschoben, hochgehalten oder unterdrückt werden, die Meinungen sind fest, weil keiner der Seiten einen Vorteil durch den Meinungswechsel sieht. Anders formuliert: eine andere Wahrheit als seine bisherige sehen will/kann/darf.

Du kannst als „Corona-leugner (dieses Wort ist Resultat von Gewalt) keinen Politiker überzeugen, da er eine ganz andere Interessenlage hat. Auch andere nicht, weil der Preis als „Verschwörungstheoretiker“ zu gelten zu hoch ist. Das sind Beispiele. Es gibt hunderte Motivationen und Lagen in alle Richtungen.

Im Gegenteil ist es so, dass je mehr Druck man aufbaut, dass der andere unbedingt „seine Meinung ändern müsse“, den Meinungswechsel erschwert. Das Zauberwort heißt Ego. Das Ego sucht andere Wege und weicht dem Druck aus oder antwortet mit Gewalt. Hier zwei Beispiele: Man lässt Demonstranten, die das Grundgesetz hochhalten, wegtragen. Oder Politiker werden beschimpft. Das sind (wenn auch kleine) Gewaltausbrüche, es ist Druck, der das Ego verletzt. „Jetzt erst recht nicht!“, sagt man sich und schon ist es unwahrscheinlicher, dass man in einem Meinungswechsel einen Vorteil erkennt. Man kann mit Druck nicht überzeugen, mit Gewalt schon. Gewaltsam sein, kann man meinungsbildend aber nur, wenn man mächtig ist. Es muss ja von Vorteil sein, sich der Gewalt zu beugen, sonst tut man es nicht.

Änderungen verfestigter Meinungen treten erst ein, wenn sich ein Parameter ändert, der persönlichen Vorteil verspricht. Das kommt von außen, fast immer. Eine Eingangsgröße muss sich ändern, damit das persönliche Vorteil-Nachteilgefüge verschoben wird. Das können neue Erkenntnisse sein, die einem neue Wege eröffnen zum Beispiel. Vorteilhafte Wege. Oder wenn Wahlen drohen und die Meinung eines Politikers wird nicht akzeptiert. Blitzartig wird er seine Meinungen ändern, damit er wieder seine Vorteile hat. Das ist kein Vorwurf, das ist normal. Zwar nicht redlich, aber verständlich normal. Oder die wirtschaftlichen Bedingungen können sich ändern, so dass das Festhalten an einer Pandemieidee, völlig nachrangig wird. Anderes ist viel wichtiger und auf einmal wird es sehr wichtig eine andere Meinung zu vertreten, da einem der Wohlstand in Händen zerrinnt. Das sind Faktoren, die Meinungen ändern können. Aber es muss auf individueller Ebene sein!

Es kommt vieles in Frage. Egal was es ist. Nochmal: Eine Meinung ändert sich erst, wenn der Wechsel einen persönlichen Vorteil verspricht. Das bedeutet aber auch, dass es wichtig ist, seine Meinung zu vertreten, und zwar lautstark. Das ist wichtig, denn alternative Meinungen können plötzlich sehr wichtig werden, ändert sich einer der Parameter. Zum Beispiel könnte es sein – ist jetzt konstruiert – dass man nicht mit einer Maske herumlaufen will, dass einen das bedrückt nach den ganzen Wochen jetzt und das Lebensgefühl nicht mehr stimmt. Das kann eine Motivation sein, seine Meinung zu ändern. Oder umgekehrt: Man hat sich an das Ding gewöhnt und erkennt den Vorteil, dass es die angeborene Hasenscharte verdeckt.

Und wenn dann da greifbar andere Meinungen sind, die ähnlich argumentieren, dann kann das sehr wichtig für einen ganz persönlich sein und man ändert seine Meinung und schwenkt ein. Man wechselt das Lager. So funktioniert das.

Oder wenn zum Beispiel die Kündigung ins Haus flattert, weil dein Arbeitgeber Flugzeugteile produziert. Du hast aber einen Kredit zu bezahlen und am Ende des Monats läuft die Kurzarbeit deiner Frau ohne Weiteranstellung aus und das Heer der Arbeitslosen erreicht die Achtmillionengrenze, melden sie im Radio. Irgendwie fühlt sich das nicht gut an am Frühstückstisch. Da könnte es sein, dass sich deine Motivationslage verändert und deine Meinung auch und da stimmst du auf einmal mit ein in die Stimmen derer, die du vorher ausgelacht hast. Deine Motivation in der Argumentation hat sich völlig verändert und deine Meinung damit auch.

Oder du bemerkst, dass du so, in dieser Welt nicht leben willst. Hast das Gefühl hier stimme irgendetwas nicht, so diese Leute alle auf Distanz und man darf nichts sagen dagegen, weil sonst Sanktionen drohen. Das gefällt dir nicht … Das sind die Momente, wo es wichtig ist, dass es andere Meinungen gibt und sie lautstark überall zu hören sind!

Wenn du Menschen überzeugen willst, so zeige ihnen deine Meinung. Vertrete sie lautstark und mit Elan und hörbar und vertraue darauf, dass der Punkt kommen wird, dass dein Angebot angenommen wird, weil es plötzlich Vorteil verspricht.

Paul Kaufmann, Juli 2020

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